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Die ultimative Vorbereitung meiner Lesung

Uff.
In vier Wochen und sechs Tagen ist es soweit: Meine erste Lesung!
Ich freue mich sehr auf diese Erfahrung – wenn da bloss meine Nervosität etwas gechillter unterwegs wäre.  

Höchste Zeit also, mich darauf vorzubereiten.
Aber wie soll ich etwas lernen, wenn ich es noch nie gemacht habe?

Na klar, ich frage die Menschen auf Instagram um Tipps.
Parallel dazu surfe ich im Internet.

Google gibt mir innerhalb von einer Millisekunde unglaublich viele Tipps.
Ich klicke auf den Link, der mir eine Anleitung gibt, wie ich meine Nervosität ablegen und die Zuhörer fesseln kann.

Guter Plan.
Los geht’s.

Beginnen Sie mit etwas Unerwartetem – so fesseln sie die Menschen!

Ok.
Krieg ich hin.
Ich könnte Wichtelgeschenke mitbringen.
Ein Bärchenpflaster aus meinem Ärmel zaubern.
Oder einen Handstand machen.
Ideen sind da.
Trotzdem zweifle ich, ob die gewählte Methode so gut ankommen wird.

Schulterzuckend scrolle ich weiter.

Smalltalken Sie vor Ihrer Rede.

Macht durchaus Sinn. Mich locker machen, etwas Gelassenheit auftanken und mich nicht verrückt machen.
Der Tipp ist bestimmt nett gemeint.
Bloss ungüstig, wenn bereits vor mir jemand eine Rede hält und die Anwesenden zuhören möchten. Es sei denn, der Redner versucht sich gerade an einem Handstand.
Dann wärs natürlich eine Option.

Es treffen die ersten Tipps von Instagram-Nutzern bei mir ein.

Stell dir einfach vor, du hast eine Erbse zwischen den Pobacken.

Bitte?
Ich muss schmunzeln.
Eine unvorteilhafte Situation, wenn das bildliche Vorstellungsvermögen äusserst grosszügig vorhanden ist.
Auf meine Nachfrage erklärt mir der Rat-Gebende, dass es sich dabei um die Körperspannung handelt. Eine aufrechte Haltung wäre sehr wichtig und hätte auch einen Einfluss auf eine klare, deutliche Stimme.
Die Erbse für das Gesamtbild also.
Aber wäre eine grüne Bohne nicht um einiges prickelnder? (Sorry an dieser Stelle, der musste einfach sein)

Atmen.

Sobald ich atme, kann alles in mir fliessen.
Der Atem ist so simpel und doch vergesse ich es viel zu oft. Der Tipp trifft direkt ins Schwarze!
Ich werde mir das Wort aufschreiben und fleissig auswendig lernen, damit der Atem an der Lesung bis zur Bauchnabelregion reicht.

Probe deine Lesung vor lieben Menschen.

Bisher habe ich das viermal gemacht.
Einmal musste ich an einer Textstelle so laut lachen, dass ich mich nicht mehr erholen konnte (ein bisschen Humor darf selbst bei einem solchen Anlass nicht fehlen).
Ein anderes Mal hatte ich so Durst, dass ich viel zu schnell vorgelesen habe.
Einmal fand es in einer eher lauten Umgebung statt, wodurch ich anschliessend beinahe heiser wurde.
Läuft bei mir.

Ich habe auch vor meiner Zimmerpflanze geübt.
Pflänzchen-Sorte: Drachenbaum.
Mein Bäumchen chillt gerne im Halbschatten, Sonne ist nicht so seins.
Scheint einen depressiven Touch zu haben – irgendwie perfekt für das Proben meiner Lesung.
Andere reden ja auch mit ihren eingetopften Pflänzchen.

Ich wechsle nochmals zurück zu Google.
Neuer Link, neuer Tipp.

Setzen Sie Ihre Mimik und Gestik optimal ein.

Aufrecht stehen, aber nicht angespannt wirken. 
Das Gesagte mit Händen und Armen untermalen.
Machtvolle Aussagen mit einer geballten Faust unterstützen.
Wenn Fakten offen gelegt werden, die Handfläche zum Publikum halten.
Eine seitliche Grundstellung zum Publikum wirkt sympathischer. 
Eine freundliche Mimik zeigt, dass es mir Spass macht.

Aha.
Nun, wenn es nur das ist.. trotzdem probiere ich es natürlich direkt aus. 
In meinem Wohnzimmer.
Wenn mein Bäumchen kichern könnte, wäre jetzt vermutlich eine geeignete Stelle dafür. 
Es würde sich schlapp lachen.

Nein, irgendwie bin ich das nicht. Der Beruf einer Schauspielerin weckt kein Interesse in mir.
Sehr wahrscheinlich mache ich mir einfach zu viele Gedanken. 

Ich verzettle mich in meiner Vorbereitung – mal denke ich nicht an die Erbse, dann finde ich meine Stimme zu kitschig oder ich vergesse zu atmen. Ich werde jetzt schon nervös.

Plötzlich erreichen mich folgende Zeilen: «Viel wichtiger ist es gemacht zu haben und stolz zu sein. Das Leben besteht aus Erfahrungen sammeln und daran zu wachsen.»

Mit zwei Sätzen ist alles gesagt.
Mit einem Mal ist alles so leicht!

Authentisch sein. Ich selbst sein, so wie ich bin. Gerne erinnere ich mich daran, das Rad nicht neu erfinden zu  müssen. Aber vermutlich wird ein nettes Servicelächeln trotzdem nicht schaden. 

Die Vorfreude auf die wertvolle Erfahrung ist wieder da.
Ich freue mich, meine persönliche Recovery-Geschichte vortragen zu dürfen, wie ich es noch nie zuvor gemacht habe.
Ich freue mich, Menschen kennen zu lernen, die sich ebenfalls für diese Thematik interessieren. Und ich freue mich auf zwei wundervolle Tage mit hervorragenden Rednerinnen und Redner. 

Aber von welcher Lesung schreibe ich denn die ganze Zeit?  

Wenn du live erleben magst, ob ich tatsächlich ein Bärchenpflaster aus dem Ärmel zaubern werde, oder wenn es dich vielmehr interessiert, was für mich Recovery und psychische Gesundheit bedeutet, dann könnte das etwas für dich sein.

Die Lesung „Ich erlaube mir, gross zu träumen“ findet am Freitag, 29. Juni 2018 um 13:15 Uhr statt; im Inselspital Bern, Kinderklinik A, Kursraum 3. 

Alle weiteren Informationen rund um den gesamten Psychiatrie-Kongress findest du hier

An dieser Stelle nochmals: Vielen herzlichen Dank für all die wertvollen Tipps! 
Für mich heisst es jetzt: Üben, dranbleiben und Vorfreude geniessen. 

In diesem Sinne, auch wenn ich mich wiederhole:
Dranbleiben lohnt sich!

Noémie