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Eine wichtige Sache lernen – aus monotonen Tätigkeiten

„Na eeeendlich achtzehn Jahre alt, das Leben kann beginnen!“ – so denkt wohl der Grossteil der Jugendlichen, wenn sie die Kerzen auf ihrer bunten Geburtstagstorte auspusten.

Ich eher weniger.
Also überhaupt nicht.
Ich funktioniere.
Und vergleiche mich ständig mit anderen.
Ich könnte locker den ganzen Tag im Bett bleiben. Trübsal blasen. Einen Heultag einlegen. Mein Lebenshandtuch auf den Boden werfen und mich von diesem lebendigen Drama entfernen.
Aber das mache ich nicht.

Seit kurzem wohne ich in einer therapeutischen Wohngemeinschaft. Weil ich keine externe Tagesstruktur habe, nehme ich ein internes Angebot wahr. So sind die Regeln und hier möchte ich unbedingt bleiben. Also heisst es Schweinehund überwinden und den „Komfortzone-Erweiterungsmodus“ einschalten. Erst viel später erkenne ich, welche wichtige Sache ich in dieser Zeit gelernt habe. Aber alles der Reihe nach.

Das Ziel der Teilnahme des internen Angebots ist die Stabilisierung meines allgemeinen Befindens. Mit den Fachpersonen mache ich mich auf die Reise in Richtung Gesundheit und der Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt (welches ich mir als überdimensionales, schier unerreichbares Ziel formuliert habe).

Doch der Blick nach vorne fällt mir oft schwer. Wenn ich für die theoretische Autoprüfung lerne, gelingt mir die Vorstellung einer eigenen Zukunft besser, als wenn ich kleisterbeschmierte Zeitungsschnipsel auf einem aufgeblasenen Ballon verstreiche. Manchmal frage ich mich, ob ich die Fähigkeit, ein rosarotes Schwein aus Kleister herzustellen, in meinem zukünftigen Arbeitsalltag einmal brauchen werde.

Doch genau diese Erfahrung ist mein Glück! Dazu gehören vor allem die Tätigkeiten, die mich wenig motivieren. 
Klobrillen reinigen, monotone Arbeitsabläufe erledigen oder schmutziges Geschirr in Handarbeit zum Glänzen bringen. Es sind die kleinen Dinge, die ich nur mit grösster Anstrengung wahrnehme. Durch sie lerne ich eine ganz wichtige Sache:

Durchhaltevermögen.

Etwas durchhalten, obwohl es mir wenig zusagt, noch gefällt oder ich den Sinn dahinter nicht sofort verstehe. An diesem Punkt kommt das Durchhaltevermögen zum Zug, um die Sache trotzdem zu Ende zu bringen. Nach dem Motto: Wenn es schwierig wird, fängt es erst an.

Weshalb bin ich heute dankbar, diese Eigenschaft gelernt zu haben?

Ohne sie hätte ich keine Ausbildung abgeschlossen, wäre keinen Marathon gelaufen, könnte meinen Lebensunterhalt nicht selbst finanzieren, hätte den Selbstverletzungen nicht den Rücken gekehrt, würde meine Steuererklärung nicht fristgerecht einreichen und hätte dieses Blogprojekt niemals gestartet.

Ich funktioniere nicht mehr. Heute puste ich meine Kerzen auf der Geburtstagstorte mit einer solchen Überzeugung aus, dass sich die Wünsche beinahe von selbst erfüllen.

Und ohne Durchhaltevermögen wüsste ich nicht, wie ich ein rosarotes Sparschwein aus Kleister erschaffen könnte (auch wenn ich damit eher weniger in Produktion gehen möchte).

Was könnte das für dein Leben bedeuten?

Gleichgültig ob es um deine Schulausbildung, eine drei-Seen-Wanderung, der längst überfällige Schokoladenverzicht für sieben Tage, ein Puzzle mit 1000 Teilen oder den Frühlingsputz im Oktober geht. Es gibt so viele Möglichkeiten, diese Eigenschaft zu trainieren.

Üben wir gemeinsam.
In welchen Situationen in deinem Alltag begegnest du dem Durchhaltevermögen?
Lassen wir uns starten. Durchhalten. Scheitern. Weitermachen. Dranbleiben. Und Siegen!

In diesem Sinne

Bleib dran – es lohnt sich!

Noémie