Allgemein
Ist das Ziel wirklich das Ziel?
«Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker», heisst es in den Fernsehwerbungen.
Durchaus entzückend. Doch wie ich mit den Antworten umgehen soll, sagt mir niemand.
Denn ich sitze dem Mediziner im weissen Kittel tatsächlich gegenüber.
«Suchen Sie sich ein anderes Hobby», sagt er. Hier ist also das Exemplar einer unerwünschten Antwort. Ich lächle, weil ich glaube, einen schlechten Witz zu hören. Ich soll das Laufen aufgeben?
Er begleitet seine Aussage mit dem Vorschlag, doch etwas Fahrrad zu fahren oder ein wenig schwimmen zu gehen. Er sagt es in einem Nebensatz, als würde er mir den Weg zur Toilette erklären.
Der Inhalt in meinem Kopf produziert nicht jugendfreie Inhalte, während ich höflich nicke und das Gehörte versuche sacken zu lassen.
Die Botschaft, das Laufen aufzugeben fällt auf mich drauf wie das Geröll der Schweizer Bergen.
So eine Aussage habe ich mir nicht bestellt
Die Gedanken lassen mich in Erinnerungen schwelgen. Ein grosser Teil meiner Genesung habe ich dem Laufsport zu verdanken. Doch der Blick zurück bringt mich jetzt nicht sonderlich weiter.
Damit kratze ich nur unnötig auf der Oberfläche rum.
Ich kann mich in die nächste Aktivität stürzen und womöglich ins gleiche Fahrtwasser kommen.
Vielleicht geht es gar nicht ums Laufen. Sondern vielmehr um das Gefühl, welches ich damit verbinde.
Welches Gefühl möchte ich durch mein Ziel – das Laufen – also erreichen?
Betreibe ich aktive Symptombekämpfung und werde mir der Ursache nicht bewusst?
Ich bin gewiss nicht die, die sich Schmerztabletten reinwirft, um in diesem hochtourigen Leben schnellstmöglich weitermachen zu können.
Die offerierte Packung des Mediziners tüte ich zur Sicherheit doch mal ein.
Trotzdem verlangt der Schmerz eine Kursänderung.
Noch mehr Anstrengung ist nicht die Lösung
Doch um das geht es dann? Wenn ich mir Ziele setze, verbinde ich damit Gefühle. So gesehen strebe ich weniger nach Zielen, sondern vielmehr nach den Gefühlen dahinter.
Höchste Zeit, mir die Frage zu stellen: Kann ich das Gefühl, welches ich mit Laufen verbinde, auch bei einer anderen Aktivität erreichen?
Ein paar Tage nach dem Arztbesuch gelingt es mir bereits wieder, aktiv zu sein. Ich werde mir eine zweite Meinung einholen und die Situation so akzeptieren, wie sie aktuell ist.
Es wird gut sein, so wie es ist – denn das Leben hat also etwas Besseres mit mir vor.
Wo sich eine Türe schliesst, öffnet sich eine neue. Sich zu verabschieden heisst auch, sich auf eine neue Begegnung zu freuen.
So ist das Leben. Und es sorgt doch immer wieder für eine Unterhaltung.
Langfristig betrachtet ist es schon gut, nicht mehr so oft in den Laufschuhen unterwegs zu sein. Nach dem Laufen könnte ich nämlich Bäume ausreissen. So gesehen ist das ja nicht ganz so wünschenswert. Rettet die Bäume und so.
Irgendeine Petition gibt’s da bestimmt..
Alternativen müssen also her. Und die Ideen sind bereits im Anmarsch.
Ich könnte in der Lotusposition auf der Yogamatte abhängen.
Wieder einmal ein Briefzentrum besuchen.
Oder eine Band gründen.
Mit Sing-Cindy.
Trommel-Tom.
Gitarren-Gerdi.
Oboe-Olga.
Und ich wäre dann die Harfen-Hildi.
Oder ich könnte auf eine Bergspitze höckeln.
Und einfach mal Ruhe finden.
Ich würde gerne wissen, wozu ich ja sagen will. Vermutlich wird es die Band sein, obwohl ich bereits beim Triangel unfallgefährdet wäre.
Ich könnte die Popgruppe «die drei lustigen Vier» nennen. Einfach so.
Ich schweife ab.
Der Umbauprozess in meinem Kopf läuft schon mal auf Hochtouren (immerhin etwas, das «läuft»).
Wenn ich im Leben grundlegende Dinge verändere, beginnen sich auch die Gehirnmoleküle zu verändern.
Ein Hoch auf die moderne Netzwerkarchitektur im Kopf!
Manchmal verliert man sich ein bisschen in seinem eigenen Leben. Und möchte die Lebensqualität nach Hause bestellen, so wie Pizza. Doch erst durch diese Momente lernt man sich am besten kennen!
Sich zu verlieren hat den Vorteil, sich selbst wieder neu begegnen zu können.
Den Körper sozusagen von innen reinigen. Nicht nur mit dem Mandelblüten-Duschbalsam für extra trockene und sensible Haut.
Sondern mit der Bewusstheit, welche Gefühle ich mit meinen Zielen verbinde.
Und weshalb.
Machen wir uns gemeinsam auf den Weg.. wenn der Weg das Ziel ist, sind wir ja bereits da!
In diesem Sinne
Dranbleiben lohnt sich!
Noémie