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Stimmungstief als Energiespritze

Sport ist ja schon mein Ding.
Heute werde ich allerdings zum Flüchtlingsjogger meiner eigenen Gedanken. Ich steuere mit den Fragezeichen im Kopf umher, statt innezuhalten.
Sie treiben mich im Büro dazu, den dicken Ordner mit dem Namen «Noémie» durchzuwühlen. Was ich genau suche, weiss ich selbst nicht – und trotzdem werde ich fündig.
Es handelt sich um folgende Randnotiz auf einem Fresszettel:

Suchen und trotzdem nicht finden,
erschöpftes Befinden,
Spiegelbild anschweigen,
Gefühle trotzdem nicht zeigen.

In tausende Ziele beissen,
mich zusammenreissen.
Mit den Ansprüchen ringen,
mich zum Lachen zwingen.

Über die Verzweiflung fluchen,
nach der helfenden Hand suchen,
wirre Wortfetzen auf Papier,
führe Fremdbeziehung mit mir.

Die beste psychische Kur,
draussen in der Natur,
theoretisch macht es mich froh,
Krisen-Prophylaxe und so.

Aber praktisch finde ich kein Schlaf
zähle wütend Schaf um Schaf.
Wieder an diesem Punkt,
ermahnt die Vernunft.
Sie hat mich ausgelacht,
ich wäre weiter, habe ich gedacht.

Die Notiz muss einige Jahre her sein.
Diese wiederkehrenden Stimmungstiefs laugen aus und verursachen Erschöpfungszustände.

Schon damals dachte ich also, dass ich mental etwas weiter bin.
Ja, ich sollte es besser wissen.
Eigentlich.
Auch wenn ich es nicht wahrhaben will – ich brauche die Tiefe meiner Stimmung immer wieder. Sie zeigen mir den Weg und zwingen mich zu den Fragen:

Was will ich wirklich in meinem Leben? Und wozu brauche ich es?

Einfach mal einen Gang runterschalten und die eigene Lebensweise inventieren.
Den eigenen Pfad überdenken.
Das Planüberfüllungssyndrom verstehen.
Der Stimme des Herzens lauschen.
In Rollen schlüpfen, die passen.
Selbstmanagement optimieren.
Der Krise einen Sinn geben.
Kraft schöpfen aus Dingen, die Freude bereiten.
Konzentration auf sich selbst lenken.
Die Kraft fühlen, stärker als das aktuelle Gefühl zu sein.
Sinn spüren.

Diese Liste präsentiert sich so hübsch auf dem Silbertablett. Ich bestelle mir sie in dieser Reihenfolge. Doch leider wird sie nicht an meinem kuschligen Bett serviert.
Meinen Popo muss ich dafür schon noch etwas bewegen – meine eigene Unzufriedenheit hilft mir dabei, ins Handeln zu kommen. Sie ist meine Motivation, wenn ich vorher nicht bereit bin, etwas zu verändern.

Ich will nicht zu viel.
Ich will bloss zu viel in zu kurzer Zeit.
Mal wieder.

Bisher war die Krise immer zur Stelle, als ich zu sehr von meinem Weg abkam.
Und wenn mir dabei ein völlig verzweifeltes «ich kann nicht mehr» über die Lippen bröckelte, dann erinnerte mich die Krise mit ganz viel Mitgefühl daran, dass ich auch nicht mehr muss.

So kann sich ein Stimmungstief zu einer wahrlichen Energiespritze verwandeln und ein produktiver Zustand werden.
Klar, eine Krise kommt nie zum richtigen Zeitpunkt.
Und sie tut weh.
Manchmal sogar sehr weh.
Trotzdem: So ein «Tief» will dir nichts Böses. Sie will, dass du dein Leben lebst. Sie ist darum bemüht, das Richtige für dich zu finden. Sie zeigt dir auf, dass etwas in deinem Leben noch nicht optimal läuft.

Bedanke dich bei deiner Unzufriedenheit und verliere all deine Ausreden! Und dann: Freue dich auf die einzigartige Reise, dich selbst zu entdecken.

Weshalb soll heute nicht der beste Start dafür sein?

In diesem Sinne bleib dran – es lohnt sich!

Noémie