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Der geplante Lebensentwurf alltagstauglich gestalten

Eigentlich wollte ich nur Kamillentee kaufen. 
Jetzt werde ich von Reizen überflutet. Und stehe vor dem Gemüseregal, weshalb auch immer. 

Samstags einzukaufen ist wohl nicht die beste Idee, obwohl es diesmal herzlich wenig mit dem Wochentag zu tun hat. Etwas verloren stehe ich vor dem Suppengemüse und starre die Sellerieknollen an, als würden sie mich ausserordentlich stark interessieren.

Ich bin so beschäftigt mit meinen inneren Gesprächen, dass ich keine Energie mehr aufbringen kann, äusserst liebevoll und charmant aus meiner Wäsche zu blicken. Die Menschen um mich herum nehme ich als bewegliche Elemente wahr, die sich hektisch von links nach rechts bewegen.

Die Menschen, damit meine ich die Leute aus den unterschiedlichsten sozialen Schichten, die mit ihren Einkaufswägen unangenehm nahe an mir vorbeisausen, als wären das Autoscooter.
Aber klar, so ein verkaufsgeschlossener Sonntag kommt natürlich schon überraschend. Jetzt also noch kurz die Wintervorräte auffüllen und um die Regale fegen. Das leuchtet mir ja ein.
Aber wer sagt denn, dass wir Aktivitäten möglichst schnell erledigen müssen? 

Ich schweife ab. 

Irgendwie lustig.
Und traurig. Denn es fehlt mir an Bindung und Verbindung.
Nicht zu den Knollen, sondern mit mir und der Welt.

Ich frage ich mich intensiv, was meine Zufriedenheit derart hemmt. Seit Tagen fühlt sich meine Stimmung etwas eigenartig an. Wie in einem luftleeren Raum, in dem ich das Unangenehme, aber auch das Schöne verpasse. Irgendwo dazwischen gleite ich dahin.
Da ist es still und laut in meinem Kopf.

Ob sich so die radikale Selbstbegegnung anfühlt?

Zumindest habe ich das letztens wieder gelesen. In einer schlauen Zeitschrift, in der es um den Zusammenhang von Selbstbegegnung und Stille ging. Naja, still würde ich das Rumgedüse mit den unzähligen Einkaufsschlitten primär nicht beschreiben.
Doch in mir drin passiert tatsächlich so etwas wie Stille.

Ich habe ein gespaltenes Verhältnis zur Ruhe. Einerseits sehne ich mich danach und andererseits macht es mir Angst, weil die Vorahnung der Gefühle manchmal nicht gerade angenehm sind. Ruhe finden gleicht beinahe einem Wagnis.
Vor allem in der Scooter-Gemüseabteilung.

Trotzdem kann Ruhe auch so schön sein, vor allem in der Natur. Der Anblick der Natur bringt mich zum Schweigen. Das Geplätscher des Bodensees, die saftigen Wiesen im Appenzellerland – eine solche Erfahrung von Stille macht mich innerlich aufgeräumter.

Heute mache ich die Erfahrung von Chaos. Das Leben gestaltet mich und nicht umgekehrt.
In meinem Kopf habe ich zu viele Tabs offen, wie auf meinem Handy. Ich will nicht zu viel.
Ich will nur zu viel in zu kurzer Zeit.

Ich verzettle mich, wenn ich nicht wirklich bei der Sache bin, die ich tatsächlich tue. Es raubt nicht nur Energie, es geht auch Sinn verloren.

Den Lebensentwurf an die jetzigen Umstände anpassen

Mal ist es stimmig, offensiv eigene Ziele zu verfolgen und mal brauche ich die Fähigkeit, mich zurückzuziehen und meinen Lebensentwurf dem Alltag anzupassen. Die Aktivität meiner Taten zu dosieren.
Ansonsten droht der Moment vor den nett frisierten Selleriedingern.

Apropos Sellerie. 
Endlich schlendere ich in die Teeabteilung, greife nach der eingetüteten Kamille und mache mich auf den Nachhauseweg.
Ohne Sellerie.
Dafür mit angeregter Gedankenproduktion.

Meine eigenen Ansprüche zurückstecken heisst nicht, zu scheitern. Oder zu resignieren.
Vielmehr ist es klug, meinen Tatendrang wirklich sinnvoll zu dosieren. Die «Alles-oder-Nichts»-Strategie funktioniert eben nicht immer.

Vielmehr sollte ich lernen, für die vielen Alternativen dazwischen offen zu bleiben. Tja, ich werde mich einfach nicht los. Vielleicht hat das Leben also doch mit mir zu tun.
Ein ganz kleines bisschen.

Aus irgendeinem Grund fühle ich ja, was ich fühle!

Solche Gefühle sind nichts spektakuläres, sie gehören halt einfach dazu. Es ist einfach wichtig, mich nicht mit ihnen zu identifizieren. Vielleicht sollte ich jetzt vielmehr meine Blogartikel lesen, statt sie zu schreiben.
Das Schöne ist doch, wie intensiv und bunt sich die leichten Momente wieder auskosten lassen, wenn sie bei mir zu Besuch sind.

Vermutlich stecke ich bereits mitten in einer Umstrukturierungsphase (sogar das Horoskop in der Gratiszeitung meint, dass es höchste Zeit ist für einen Neuanfang – wenn das mal kein Zeichen ist).
Oder mein Gefühlszustand erinnert mich nur daran, einfach mal wieder glücklich zu sein.

Es gibt so viele, alltagstaugliche Möglichkeiten.
Badewasser grün färben.
Streichhölzer in Gemüse stecken und Gemüsemonster basteln (kleiner Tipp: roher Knollensellerie ist für Fortgeschrittene).
Luftpolsterfolie platt drücken.
Spaghetti mit den Fingern essen.
Mandala ausmalen.
Barfuss laufen.
Aus Rechnungen Papierflieger falten.
Grüne Bohnen essen.

Suchen wir uns etwas aus und wählen eine optimale Dosis für unsere momentane Lebenslage.

Sinn kommt, wenn ich wirklich beherzt an einer Sache bin.
Und die eigene Lebensqualität steigt, wenn ich weiss, weshalb sie niedrig ist.

In diesem Sinne, 
Bleib dran – ich mache es auch!

Noémie