psychische Gesundheit

Wohin mit dem Gedankenmüll?

Gedanken gehören zu der Grundausstattung eines Menschen, das ist mir schon klar. Doch manchmal habe ich das Gefühl, bei der Programmierung ist etwas falsch gelaufen.
Über so viele Dinge zerbreche ich mir den Kopf, die objektiv betrachtet absolut keinen Sinn ergeben.
Sie benötigen auffällig viel Energie.

Der ganze Müll im Kopf stinkt.
Kann ich den Abfall nicht entsorgen, auf irgendeiner Mülldeponie für mentale Abfälle?

Ich wünsche, meine Gedanken könnten auch so rausplumpsen wie das Kichererbsencurry im Dinkelfladenbrot, wenn es durch all die Gedärme seinen Weg aus dem Körper findet.
Wäre toll, wenn ich die Gedanken anschliessend per Knopfdruck ebenfalls ins Klo herunterspülen könnte.
Weg, einfach weg.

Doch die Gedanken hängen in den Darmzotten fest und verursachen Blähungen.
Mentale Flatulenzen.
Ich brauche dringend andere Gedanken.

Obwohl ich keine Lust dazu habe, bin ich ziemlich motiviert bei der Sache. Ich versuche gegen meine Gedanken zu schwimmen. Versuche, das Zeug im Kopf möglichst gelassen zu sehen, sie dankend anzunehmen.
Zu ignorieren.
Aufzuschreiben.
Beim Sport abzutrainieren.
Nicht zu bewerten und was es sonst noch so alles für Methoden gibt.
Ich strenge mich an.

Ich übe und übe… und gebe doch schon alles! Warum habe ich das Gefühl, dass es trotzdem nicht reicht? Übung macht doch bekanntlich den Meister. Doch dass man auch das Falsche üben kann, sagt mir niemand.

Ich bin gerade dabei, kopflos in eine Richtung zu rennen, ohne vorher den wichtigen Wegweiser zu studieren.
Ich sprinte einfach los, zur vermeintlichen Goldgrube.

Achtsamkeit steht gerade nicht auf meiner To-Do-Liste. Es sind die Tage, an denen ich die Zahnseide nur für die Zähne benutze, die ich behalten will.

Und dann erstaunt es mich, weshalb mich die Titelüberschriften «Wer bin ich? – der grosse Fragebogen» oder «Sich selbst kennen lernen in fünf Schritten» am Kiosk so ansprechen, dass ich darüber nachdenke, sie zu kaufen. Oder ich stelle mich an die Sonne und wundere mich, weshalb ich nicht erleuchtet werde.

Diese unnötige und verschwenderische Gedankenproduktion laugt aus.
Ich möchte meinen Körper ins Bett legen.
Meine Seele vorsichtig in die Decke einkuscheln.
Ich habe emotionalen Muskelkater.

Die gute Nachricht? Es gibt zweimal Hoffnung!

Nummer eins:
Ich mache mir bewusst: Es ist meine momentane Stimmung. Ich bin mehr als sie. Sie ist ein Gefühl. Und auch ein Gefühl muss immer wieder neu aufgebaut werden. Die angenehmen genauso wie die schlechten.

Nummer zwei:
Eingeübte Dinge können wieder verlernt und neu gelernt werden. Umlernen ist zwar anspruchsvoll, aber nicht unmöglich. Vielleicht muss ich jetzt üben, nach vorne zu sehen. Dass ich erst zurückblicke, wenn die Zeitspanne vorbei ist, in der ich mich gerade befinde.

«NEIN! STOPP! FERTIG!», sage ich in einem bestimmten Ton.
Meine Gedanken brauchen dringend Erziehung – höchste Zeit, ihnen Grenzen zu setzen. Ich muss nicht zuerst genug Ja’s sammeln, um ein Nein formulieren zu können. Zu jeder Tages- und Nachtzeit kann ich Nein zu meinen Gedanken und meinem Gefühl sagen.
Laut vor mich hin.

Für meine Verhältnisse brülle ich sogar.
Quer durch mein Schlafzimmer.

Ja, ich komme mir lächerlich vor.
Nein, ich gebe nicht auf.
Und ja, es ist sehr wichtig für mich.
Nein, jammern bringt mir nichts.

Ich übe fleissig. Immer und immer wieder.
Meine Strategie dabei: Irgendwann programmiert sich meine Festplatte von selbst um. Und der radioaktive Müll muss nicht mehr entsorgt werden, weil er gar nicht erst entsteht.

Ich schreibe meine Gedanken dazu auf. Mein Notizbuch ist nicht zu beneiden. Es muss für den ganzen Mist in meinem Kopf herhalten.
Vielleicht kann aus den wirren Wortfetzen doch noch etwas Schönes entstehen.
Sowas wie Kunst.

Vielleicht sogar noch bevor ich als eine charmante Kakerlake in Bangladesch wiedergeboren werde.

Ich sag’s ja: Der Inhalt in meinem Kopf und ich.
Komplizierter Beziehungsstatus.

Das Leben ist immer für eine Unterhaltung gut. Ist ja alles eine Frage der Perspektive. Ein ganzer Kuchen ist ja auch ein Stück, wenn man ihn nicht aufschneidet.

Trotz der netten Vorstellung der Noémie-Kakerlake erlaube ich, mir die Zeit zu geben, die mentalen Abfälle zu Kunstwerke entstehen zu lassen.

Aber jetzt muss ich keine Resultate erzielen.
Jetzt darf ich lernen, mir von meinen Gedanken nicht den momentanen Augenblick verderben zu lassen.
Das Üben fühlt sich richtig an.

In diesem Sinne

Schenken wir uns selbst die Zeit, die wir benötigen.
Ich grüss dich lieb und freu mich, dich nächste Woche wieder begrüssen zu dürfen!

Noémie