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«Zuhause bleiben» ist voll langweilig? Zum Glück!

Der Bundesrat fordert uns auf, Zuhause zu bleiben.
Nachdem die Klopapier-Iglus im Wohnzimmer gebaut, das Marathonschaukeln gefinisht und die Buchstabensuppe inventiert ist, kommt sie zur Tür herein. Die Langeweile. Sie bringt weder Kuchen, noch Unterhaltung mit.. zum Glück! Denn Langeweile ist eine absolute Granate unter den Gefühlslagen. Dieses Geschoss kann wahre Wunder bewirken!

Wagen wir einen Blick hinter die Langeweile-Kulisse und schlendern ohne Umwege zum Punkt.  

Wenn dir das Leben den Boden unter den Füssen wegzieht und du nicht mehr deinem gewohnten Alltag nachgehen kannst, hinterfragst du womöglich deine Existenz. Es kann bedrohlich sein, ohne Aufgabe Zuhause zu warten und zu sehen, wie die eigene Lebenszeit verrinnt.
Es ist völlig okay, emotional mit der Situation überfordert zu sein. Wir alle haben das, was coronamässig gerade abgeht, noch nie zuvor erlebt.

Ich glaube nicht, dass die Lebenszeit verrinnt oder wir sie durch den Hausarrest verlieren. Im Gegenteil, wir gewinnen einiges zurück! In der Langeweile können wir Antworten finden auf Fragen, die womöglich durch Kuchen, übermässiges Arbeiten, Netflix oder Drogen verschüttet sind. Vielleicht kommt sogar eine lang ersehnte Langsamkeit zurück, weil das, was wichtig ist, geduldig auf unsere Rückkehr wartet.

Welches Transportmittel passt zu deiner Reise?

Wer fleissig Terminkalender füllt und der Langeweile keine Chance gibt, verschanzt sich gegen sich selbst. Gedanklich auch mal in den Freiraum vorzudringen, ist ziemlich praktisch. Die Langeweile hält uns nämlich davon ab, voreilig in eine Sackgasse zu rennen.

Stell dir vor, du willst schnellstmöglich nach Amerika, setzt dich dafür in den nächsten Lambo und drückst auf die Tube. Spätestens in Lissabon merkst du: Oh, da ist ja noch bissel Gewässer dazwischen.
Die lange Weile ermutigt dich, erstmal innezuhalten und deine Reise vorzubereiten.
Wo ist dein Startpunkt und wo genau willst du hin?  

Auf dem Weg nach Italien kann der Lambo ein nettes Transportmittel sein, wenn du vom Bodensee losdüst. Nach Amerika wäre die Reise mit einem Flugzeug vermutlich intelligenter.
Ja, im Leben geht es um die Reise. Aber eben auch darum, sinnbildlich in Amerika zu leben.

Aber Obacht – da hängt noch ein Preisschild dran!

In der heutigen Zeit ist nichts umsonst. Weder Klorollen, noch Langeweile. Letzteres kostet Überwindung und fordert beinahe eine Rechtfertigung, sich in der leistungsorientierten Gesellschaft ein paar nette Inseln des Verweilens zu verschaffen. Als junger Mensch begegnet mir das häufig in meinem Alltag. Der Energieaufwand, den ich für das Aufräumen meiner Seele brauche, sieht man mir meist nicht an.

Die Entscheidung zu fällen, mich der Langeweile hinzugeben braucht Mut und der Aufwand lohnt sich. Auch Nein sagen zu überhöhten inneren und äusseren Erwartungen kann das emotionale Konto ordentlich entlasten. Aber dafür muss ich für mich einstehen und meine Wünsche formulieren.

Aber hä?
Warum lohnt es sich, Energie in die Langeweile zu investieren?
Ich versuch es an einem Beispiel zu erklären. 

Bring dein Hirn in die Kita!

Ich muss meine Birne nicht immer unterhalten. Die «Untätigkeit» gibt dem Hirn viel Zeit für die Selbstbeschäftigung. In dieser Zeit gebe ich meinen Kopf vorübergehend ab, wie ein Kind in die Kita. So schaffe ich mir den Freiraum, mich anderen Dingen zu widmen. Dinge sortieren, bissel Bewegung oder mit Freunden quatschen, um bei seiner Rückkehr zu erfahren, was es alles Wunderbares erlebt und gelernt hat.
Genau wie das Kind liegt auch mein Hirn in dieser Zeit nicht faul in der Kita und zieht sich eine Netflix-Serie nach der nächsten rein (also kommt darauf an, welche Leitbilder der Kindertagesstätten verfolgen).

Bei der Langeweile werden im Gedächtnis neuronale Netze neu organisiert und sortiert. Zuvor gelerntes wird verarbeitet. Durch die Reorganisation können neue Zusammenhänge erschlossen und neue Lösungen gefunden werden. Das spüre ich deutlich, wenn ich beim Schreiben in eine Blockade falle oder in Krisenzeiten nicht mehr weiterweiss. Einfach mal «Nichtstun» kann wahre Wunder bewirken – es ist ein mit neuen Lösungen gefülltes Geschoss. Eine Granate für die Hosentasche sozusagen.

Ich mag das Konzept der Langweile einfach. Aber schlendern wir mal weiter – ich will dich hier ja nicht langweilen.
Höhö.

Wartest du noch oder verweilst du schon?

Werfen wir einen kurzen Blick in den Duden.

Laut Wikipedia bedeutet Warten: Zeit verstreichen lassen, beziehungsweise untätig sein, bis ein bestimmter Zustand eintrifft. Aber auch technische Apparate zu pflegen und regelmässig zu reparieren.

Warum nicht also das seelische Gerät pflegen? Die persönlichen Werte, Wünsche und Beziehungen überprüfen? Mir Zeit nehmen um das, was mir wichtig ist, in Schuss zu halten?

Das Verweilen definiert Wiki ganz unkompliziert so: an einem Ort bleiben.

Wann hört für dich das Warten auf und beginnt das Verweilen? Das kann ziemlich interessant sein. Vielleicht geht es weniger darum, auf was wir warten, sondern wie wir die Zeit des Wartens verbringen. Es hängt von der inneren Einstellung ab.

Lass folgende Frage auf dich wirken, wenn du magst: Rennst du Weg, weil du Angst hast oder hast du Angst, weil du wegrennst?
Wenn du Ablenkungen, Tempo und Reize immer weniger brauchst, wirst du unabhängiger von deiner hektischen Umwelt. Das wiederum schenkt dir eine innere Zufriedenheit. Ein gewisses Mass an Langsamkeit kann massgeblich zur Steigerung der Lebensqualität beitragen. Durch die Langeweile können wir intensiver spüren, wie viel das Leben wert ist.

Ausserdem fördert Langeweile die Vorfreude – zum Beispiel auf das Leben nach Corona. Vorfreude ist eine dufte Sache, weil sie das Immunsystem stärkt. Die ganz schlauen Füchse unter uns wissen, dass ein gestärktes Immunsystem ganz gut sein soll für ein starkes Immunsystem.

Gehen wir gestärkt (und ein bisschen gelangweilt) aus der verordneten Zeit mit uns selbst. Und retten ganz nebenbei auch noch Leben. 
Das Leben der Risikogruppen.

In diesem Sinne 
Bleiben wir gemeinsam dran – es lohnt sich!

Noémie